Digitale Medienpraxis: Digitale Bilder

Masterklasse IV

5 - 7 - 10 - 15
Patrizia Attar



»Schönheit liegt im Auge des Betrachters« – ein alter Grieche.
Diesem Standpunkt würden die meisten Menschen wohl zustimmen, auch wenn man den Spruch gerne immer dann heranzieht, wenn die betreffende Schönheit nicht in den eigenen Augen liegt. So wie Schönheit Ansichtssache ist, kann das auch für die Ansicht an sich gelten. Um diesem tautologischen Teufelskreis (dass Ansicht Ansichtssache ist) zu entfliehen, hilft es die Bedeutung auf den Punkt zu bringen: Wahrnehmung ist relativ. Was wir sehen, hängt davon ab, worauf wir achten und worauf wir uns konzentrieren. Beim Betrachten eines Tellers Nudeln würde vermutlich jedem Betrachter nichts weiter auffallen – es sei denn, er ist auf etwas Bestimmtes programmiert. Programmiert man zusätzlich die Sensitivität der Wahrnehmung, lässt sich eine Veränderung im gleichen Objekt zeigen, die lediglich abhängig von der Wahrnehmung ist. Durch die Augen eines Kantenerkennungsprogramms liegt auf einmal eine gewisse Schönheit in einem Teller Nudeln.

Im Gegensatz zum natürlichen Betrachter konzentriert sich das Programm nicht ganzheitlich auf das Bild, sondern untersucht es Pixel für Pixel. Minimale Farbunterschiede im Bild lassen sich anhand der Änderung der einzelnen Farbwerte nebeneinander liegender Pixel erkennen. Das Experimentelle besteht nun darin, dass man eine Schwelle festlegt, um zu bestimmen, ab welcher Farbwert-Differenz es sich um eine Kante im Bild handelt. Liegt der berechnete Unterschied über der frei definierbaren Schwelle, erkennt das Programm ihn als Kante und macht den entsprechenden Pixel kenntlich, im vorliegenden Fall in Türkis. Besteht zwischen angrenzenden Pixeln nur ein Farbunterschied, der unter der Schwelle liegt, wird das Pixel schwarz. Die Wahrnehmung des Programms lässt sich demnach anhand der Schwelle verändern. Bei einiger niedrigen Schwelle lässt sich die Form des ursprünglichen Bildes noch erahnen, bei einer hohen Schwelle sind nur noch die markantesten Unterschiede erkennbar. Der Titel sind die verwendeten Schwellenwerte, von links oben nach rechts unten.


© Patrizia Attar 2019